Egal ob 100% Office-basiert oder vollständig virtuelle Teams – die Hauptsache ist, man macht es konsequent.
Zugegeben, dass ist keine dieser reißerischen Überschriften, mit denen man viral gehen kann aber es ist meine feste Überzeugung.
Wenn alle Teammitglieder an einem Standort sitzen aber hauptsächlich über Slack oder Teams chatten, läuft etwas verkehrt. Oder zumindest wird das potential der persönlichen Kommunikation nicht genutzt. Ich habe miterlebt, wie Teammitglieder im Gruppenbüro miteinander telefoniert haben, anstatt kurz zum Schreibtisch des anderen zu gehen. Wenn ich nur telefoniere, kann ich auch genauso gut zuhause bleiben, oder?
Andersherum habe ich erlebt, wie eine Firma, deren Leute zu 50% weltweit verteilt in HomeOffices sitzen, zur Weihnachtsfeiern in die Bürostandorte eingeladen haben (ohne eine Reiseerlaubnis zu geben). Das kann man besser machen.
Einleitung
Gemeinsam mit Timo habe ich Ende letzten Jahres an diesem Thema gearbeitet und möchte ein paar unserer Erkenntnisse teilen.
Ziel unserer Arbeit war es, unterschiedliche, in sich stimmige, Wege aufzuzeigen, in denen bzw. in die sich ein Unternehmen entwickeln kann.
Jeder einzelne Weg ist für sich genommen weder besser noch schlechter – vielmehr hat jedes Konzept seine Vor- und Nachteile und muss für das jeweilige Unternehmen und seine Teammitglieder passen. Wichtig ist lediglich, dass man den eingeschlagenen Weg konsequent geht und nicht zwischen unterschiedlichen Modellen hin und her mäandriert.
Die Alternativen
Diese vier Alternativen haben wir identifiziert:
- Büro
- Office-first
- Ortsunabhängig
- Virtuell
Büro
Alle Teammitglieder befinden sich im selben Büro (es kann jedoch auch mehrere, weltweit verteilte Büros geben, denen unterschiedliche Teams zugewiesen sind).
- Das persönliche Zusammenarbeiten steht im Mittelpunkt und soll den Beziehungsaufbau sowie die Kreativität und die Identifikation mit dem Unternehmen fördern.
- Prozesse und Werkzeuge sind auf die Arbeit vor Ort ausgelegt, während das Arbeiten von zu Hause oder unterwegs nur in Ausnahmefällen und zeitlich begrenzt möglich ist.
- Alle Besprechungen finden persönlich innerhalb der Teams statt, und wichtige teamübergreifende Workshops werden persönlich in einem der Besprechungsräume abgehalten.
- Informationen werden persönlich vor Ort ausgetauscht, und die Unternehmenskultur wird maßgeblich in den Büros geprägt.
- Neue Talente werden ausschließlich im Umfeld des jeweiligen Büros gesucht oder müssen dorthin umziehen.
- Die Büros sind für die tägliche Zusammenarbeit vor Ort eingerichtet, mit festen Schreibtischen für alle Mitarbeiter.
Office-first
Die meisten Teammitglieder arbeiten in einem der Büros aber die Teams können über mehrere Standorte verteilt sein. Einzelne Teammitglieder arbeiten remote.
- Der Schwerpunkt liegt auf der persönlichen Zusammenarbeit in einem der Büros, wobei auch die kreative Arbeit und die soziale Interaktion im Vordergrund stehen.
- Prozesse und Werkzeuge sind so konzipiert, dass sie vor Ort funktionieren, während einzelne Prozesse bei Bedarf auch für externe Teammitglieder geöffnet werden.
- Besprechungen finden, wo immer möglich, persönlich statt, und remote Teammitglieder nehmen entweder an hybriden Besprechungen teil oder müssen häufiger im Büro anwesend sein.
- Informationen werden lokal ausgetauscht, aber dokumentiert und mit den Remote-Mitarbeitern geteilt – Remote-Mitarbeiter sind sich dessen bewusst und verpflichten sich, an wichtigen Artefakten der Unternehmenskultur teilzunehmen.
- Neue Talente werden in erster Linie für einen der Bürostandorte gesucht. Nur in Ausnahmefällen werden Remote-Mitarbeiter akzeptiert.
- Die Büros bieten Platz für die überwiegend vor Ort tätigen Teammitglieder, während zusätzlicher Raum für Co-Working geschaffen wird.
Ortsunabhängig
Alle Teammitglieder sind standardmäßig mobil und können von dem Ort aus arbeiten, an dem sie am produktivsten sind. Das bedeutet auch, dass einzelne Teammitglieder oder auch Personen mit bestimmten Aufgaben bei Bedarf dauerhaft in einem Büro arbeiten können. Auch ganze Teams können sich dafür entscheiden, gemeinsam an einem physischen Ort zu arbeiten.
- Der Schwerpunkt liegt auf der virtuellen und asynchronen Zusammenarbeit – über Zeitzonen und Standorte hinweg, um eine Fokussierung der Wissensarbeiter zu ermöglichen. Die Büros können ein zweckmäßiger Teil dieser Zusammenarbeit sein.
- Prozesse und Tools werden für die virtuelle Zusammenarbeit konzipiert und bei Bedarf um Komponenten vor Ort erweitert.
- Meetings finden in erster Linie virtuell statt, während bestimmte Meetings persönlich anberaumt werden können – wo es Sinn ergibt.
- Informationen werden digital dokumentiert und transparent weitergegeben, so dass alle Teammitglieder gleichermaßen darauf zugreifen können.
- Neue Talente werden in Form von Remote-Rollen weltweit gesucht (einzelne Länder oder Zeitzonen können ausgeschlossen sein), während einzelne Rollen an ein Büro gebunden sein können.
- Büros sind vergleichbar mit “Flagship-Stores”. Sie sind für intensive Zusammenarbeit konzipiert und als “identitätsstiftende Heimathäfen” sowie als Treffpunkte für interne Meetings oder Kunden-/Investorengespräche ausgerichtet.
Virtuell
Alle Teammitglieder arbeiten ausnahmslos virtuell zusammen und können einen Co-Working-Space ihrer Wahl nutzen, wenn sie nicht zu Hause arbeiten können/wollen.
- Der Fokus liegt ausschließlich auf der virtuellen Zusammenarbeit und alle Energie wird auf die Förderung und den Erfolg von vertrauens- und teambildenden Aktivitäten gerichtet, während die persönliche Interaktion ausschließlich in Form von Retreats, Events oder Meet-ups stattfindet.
- Prozesse und Tools sind ausschließlich für virtuelle Zusammenarbeit konzipiert.
- Meetings finden virtuell statt, während man sich für intensive Workshops, Retrospektiven oder andere Veranstaltungen an einem Ort treffen kann, der den eigenen Bedürfnissen entspricht.
- Informationen werden digital dokumentiert und transparent weitergegeben, so dass alle Teammitglieder gleichermaßen darauf zugreifen können.
- Neue Talente werden in Form von Remote-Rollen weltweit gesucht (einzelne Länder und Zeitzonen können ausgeschlossen sein).
- Es gibt entweder gar keine Büros, oder einige Flagship-Store ähnliche Büros, die ausschließlich für Firmenpräsentationen, Kunden-/Investorengespräche oder Firmenveranstaltungen genutzt werden (aber nicht als Arbeitsplatz dienen).
Pros & Cons – Entscheidungshilfe
Durch die Pandemie haben wir eine ziemlich wilde Situation. Viele Unternehmen, deren Teammitglieder vorher ausschließlich vom Büro aus gearbeitet haben, finden sich auf einmal in einer Situation wieder, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeit von zuhause einfordern oder vielleicht sogar weit entfernt in anderen Städten oder Ländern sitzen.
Was eine zeitlang gut geklappt hat, entpuppt sich nach einem Jahr als Produktivitätskiller oder die Unternehmenskultur droht den Bach runterzugehen. “Einfach mal wieder bei der Arbeit Spaß zusammen haben” – das geht vermeintlich nur bei der gemeinsamen Büroarbeit. “Die Freiheit einen Monat lang mit Blick auf’s Meer zu arbeiten” – das geht vermeintlich nur bei einem Remote-Arbeitgeber.
Büro
Viele von uns sind damit groß geworden: Zur Arbeit geht man ins Büro. Das hat ganz klare Vorteile wenn es z.B. um eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben geht. Allerdings bedeutet dies für viele auch, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit auf dem Arbeitsweg verbringen. Im Büro gibt es eine ganz natürliche Gelegenheit, sich kennenzulernen und eine soziale Bindung aufzubauen. Man bekommt auf natürliche Weise mit, wie es den anderen geht und kann sich unkompliziert gegenseitig helfen. In Bezug auf die Kosten, die Flexibilität für weiteres Wachstum, die Einstellung von Personal und die Bereitstellung von Räumlichkeiten bringt dieses Modell jedoch Hürden mit sich, die nur schwer zu überwinden sind.
Gerade als schnell wachsendes Unternehmen bedeutet dieser Ansatz, dass man sich alle 1-2 Jahre nach neuen Büroräumen umschauen muss. Befindet man sich an einem attraktiven Standort wie Berlin, gibt es einen hohen Wettbewerb um Arbeitskräfte. Ist man “in der Pampa”, muss man sehr attraktive Angebote machen oder mit dem leben, was es gibt.
Aber rein strukturell und in Bezug auf den organisatorischen Aufwand ist das klassische Büro ein “No-Brainer” – im Vergleich zu den anderen Modellen.
Office-first
Dieser Ansatz macht die Zusammenarbeit komplizierter, weil Teams nicht mehr zwingend an einem Standort sitzen müssen. Gleichzeit eröffnet dies jedoch auch viele Möglichkeiten bei der Personalsuche. Teammitglieder, die an keinem Standort, sondern vollkommen “remote” sind, wissen, dass sie quasi Teammitglieder zweiter Klasse sind. Da sie sich bewusst hierfür entschieden haben, ist das jedoch ein gangbarer Weg. Beispiel: In einem Meeting würden alle Teammitglieder gemeinsam in einem Raum sitzen und in den Pausen gemeinsam essen – bis auf die Remote-Teammitglieder.
Ähnlich wäre das bei andern Maßnahmen die soziale Bindung schaffen: Sie würden sich vollständig auf die Bürostandorte fokussieren. Und entweder kommen die Remote-Teammitglieder angereist oder sie bleiben ausgeschlossen.
Dies bezieht sich auch auf die gemeinsame Arbeit am Whiteboard und andere spontane Formen der Zusammenarbeit.
Die Realität ist, dass viele Unternehmen dieses Model leben, ohne es klar zu kommunizieren.
Ortsunabhängig
Im Mittelpunkt steht hier das Team und die gemeinsame Arbeit. Der Ort spielt eine nachrangige Rolle.
Daher ist auch alles für verteilte Teams optimiert. Teams, die für sich herausfinden, dass sie besser an einem Ort gemeinsam arbeiten und hier auch sehr gute Leute finden, können dies tun – müssen die notwendigen Informationen aber nach den gleichen Methoden teilen, wie die virtuellen Teams.
Und das ist auch der Knackpunkt: Alles muss so aufgebaut sein, dass es perfekt für virtuelle Teams ist: die Kommunikationsmittel und -wege, die Zusammenarbeit und auch der soziale Austausch.
Die Erfahrung zeigt: Auch ein verteiltes Team kann eine enormes Wir-Gefühl entwickeln und riesigen Spaß bei der Arbeit haben – wenn man es konsequent dazu befähigt. Und das geht vielen nicht so leicht von der Hand, wie im gemeinsamen Büro, wo einem die notwendigen Praktiken ganz geläufig sind: “Einfach mal im Sommer Eis für alle mitbringen und die Leute kommen schon zusammen”. Das klappt so bei virtuellen Teams nicht und ich kann berichten, dass ein gemeinsames Eis vor der Kamera/Bildschirm alles andere als toll ist.
Dieser Weg ist also einer, der viele gute Dinge vereint aber der auch die Schwächen der unterschiedlichen Ansätze beinhaltet. Oft wird man, genauso wie bei Office-first, das Gefühl haben, es keinem Recht machen zu können.
Virtuell
“Remote Nativ” oder “fully distributed” sind andere Begriffe für ein vollständig virtuelles Team. Genauso wie die Alternative, in der alle Teammitglieder in einem Büro sind, ist dieser Weg sehr konsequent. Und daher kann man sich auch sehr konsequent auf eine optimale Umsetzung fokussieren.
Kein Büro zu haben bedeutet keinesfalls, von Zuhause arbeiten zu müssen. Fast in jeder Stadt gibt es mittlerer Weile Co-Working Spaces. Und auch ohne diese findet man bestimmt eine Firma, die noch einen Schreibtisch frei hat, den man mieten kann. Aber es bedeutet auch, dass man nicht mit “den eigenen Leuten” an einem Ort ist und manchen Leuten ist dies sehr wichtig. Diese Personen schließt man als potentielle Mitarbeiter/-innen aus. Dafür schafft man sich aber einen fast unendlich großen Arbeitsmarkt, da man ja weltweit einstellen kann.
Doch Vorsicht: Ohne Not sollte man folgende Grenzen nicht überschreiten:
- Muttersprache: Wenn man ausreichend Leute, die eine gemeinsame Muttersprache sprechen, findet, ist das super. Man sollte nicht ohne Not z.B. auf Englisch als Firmensprache wechseln. Wenn es jedoch klar ist, dass man es früher oder später doch tun muss, sollte man den Wechsel unbedingt so früh wie möglich vollziehen.
- Regionale Nähe: Solange man noch gute Leute in der Region findet, sollte man dabei bleiben. Es ist so hilfreich, wenn man sich schnell und ohne großen Aufwand im Team treffen kann. Die Kreise werden beim Wachstum sicherlich größer aber die Stufen (NRW, West-Europa, Europa, Welt) sollte man mit bedacht gehen.
- Zeitzonen: Wenn alle in einer Zeitzone arbeiten macht es vieles einfacher. Plus/Minus ein bis zwei Zeitzonen ist meist nicht schlimm – das habt ihr im Team ohnehin durch unterschiedliche Lebensgewohnheiten. Aber wenn ihr das erste Mal Teammitglieder habt, die sieben Zeitzonen vor oder hinter euch sind, wird es mit der synchronen Zusammenarbeit auf einmal komplizierter – vor allem wenn einzelne Teammitglieder nur Vormittags oder Nachmittags arbeiten.
Resümee
Ich persönlich bin ein Fan von Klarheit und Einfachheit. Daher sind meine Favoriten die beiden Extreme: Alle Teammitglieder in ein Büro oder komplett ohne Büro. Alles dazwischen ist kompliziert und mit vielen kleinen Kompromissen verknüpft.
Ich finde es auch konsequent, wenn Arbeitgeber sagen, dass alle Teammitglieder wieder zurück ins Büro müssen. Das heißt ja nicht, dass man nicht für bestimmte Tätigkeiten auch zuhause bleiben kann – aber der Standard ist das Büro.
Falsch finde ich hingegen die Aussage, dass man nur im Büro gemeinsam Spaß haben und Nähe empfinden kann. Einfacher ist es, ja. Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man als vollständig verteiltes Team genauso viel – wenn nicht sogar mehr – Wir-Gefühl haben kann. Man muss den Weg dahin nur organisieren.